Archiv | 19 mag 2016
Die Entwicklung der Zombiefilme
Filme über Zombies gibt es so viele, als hätte einer den anderen gebissen und die “Krankheit” dadurch ins Rollen gebracht. Im Ernst, wir sprechen von mittlerweile fast 500 (ausgeschrieben: fünfhundert!) Filmen! Das bedeutet aber nicht, dass Hollywood die wandelnden Toten immer auf die gleiche Weise interpretierte. Und wo wir Hollywood erwähnen: Die untoten Beißer sind keine Erfindung der Filmindustrie! Eigentlich hat das Wort Zombie seinen Ursprung in den afrikanischen Bantu-Sprachen und heißt so viel wie “versklavter Geist”. Auch die Voodoo-Religion auf Haiti beinhaltet schon lange die Vorstellung von lebenden Leichnamen, die unter uns wandeln. Wenn wir uns daran erinnern, dass in der Kolonialzeit etliche Sklaven aus Benin und angrenzenden Ländern nach Mittelamerika verschleppt wurden, können wir uns denken, wie ein bantuistisches Wort im haitianischen Voodoo seinen Platz fand …
Mit den fleischfressenden Fratzen, die wir heute aus dem Kino kennen, haben diese Voodoo-Zombies allerdings nicht viel gemeinsam. Die Glaubensvorstellung auf Haiti teilt stattdessen jeden menschlichen Körper in zwei Seelen auf, die Vitalseele und die Schattenseele. Werden diese voneinander getrennt, streift die Schattenseele ziellos umher. Ein spannendes Thema für einen Kinofilm! Und eines, das inzwischen weit vom Ursprungsmythos entfernt ist. Um den Überblick nicht zu verlieren, fassen wir mit diesem Beitrag zusammen, wie sich die Zombie-Filme im Laufe der Zeit entwickelt haben.
30er bis 50er Jahre: Kontrollierte Voodoo-Einzelgänger
In den 30er Jahren flimmerten die ersten Tonfilme über die Leinwände der Welt. Und ja, schon in dieser frühen Zeit waren Zombies ein Thema! Jedoch nicht die Sorte, die wir heute aus populären Serien wie The Walking Dead kennen. Der Zombie war nur eines von vielen klassischen Gruselmonstern, er stand in direkter Konkurrenz zu Dracula, King Kong, der Mumie oder Frankensteins Monster. Oder anders ausgedrückt: Er war ein Einzelwesen mit individuellen Charakterzügen. Im Gegensatz zu heute tauchten selten mehr als fünf Zombies in einer Geschichte auf. Als erster Zombie-Film mit einer Untoten gilt White Zombie aus dem Jahr 1932. Um hier einem anderen die Braut auszuspannen, lässt ein Plantagenbesitzer die Angebetete von einem bösen Hexenmeister in einen Scheintod versetzen. Der Masterplan geht allerdings nicht ganz auf, denn ihre anschließend seelenlose Hülle ist einfach nicht das Wahre. In dieser Zeit versteht es sich noch von selbst, dass Zombies mit Voodoo-Zaubern in Verbindung stehen. Und Voodoo-Zauber gehören irgendwie in afroamerikanische Lebenswelten. Dass es sich bei den Hauptdarstellern um weiße Menschen handelt, erklärt direkt den Filmtitel. Andere klassische Filme wie King of the Zombies (1941) und I walked with a Zombie (1943) beinhalten ebenfalls dramatische Geschichten unter Weißen, die fremden Voodoo-Glauben für ihre privaten Zwecke nutzen wollen. Wie man sich vielleicht vorstellen kann, wurde das Thema Zombie ein beliebter Bestandteil von B-Movies. Am bekanntesten ist vermutlich Plan 9 from Outer Space (1959), ein richtig schlechter Kultfilm des legendären Regisseurs Ed Wood. Hier erwecken Außerirdische drei Tote mittels Elektrizität zum Leben und hetzen sie auf die Menschheit – keine oscarreife Geschichte.
Wir halten fest: Die Zombies der Filmanfänge wurden meist von Menschen (oder Aliens) erschaffen und kontrolliert. Niemals entstand eine ganze Herde von ihnen und meistens spielten Voodoo-Zauber irgendeine Rolle. Zumindest bis George A. Romero kam …
60er bis 70er Jahre: Der Ursprung des modernen Zombie-Films
Das Jahr 1968 entpuppte sich als Meilenstein für Fans von Zombie-Filmen. Grund hierfür war George A. Romeros Film Night of the Living Dead. Die Story dreht sich um Barbara und ihren Bruder, die das Grab ihres Vaters besuchen wollen. Es stellt sich jedoch heraus, dass die Toten auf dem Friedhof auferstanden sind und wahllos Menschen attackieren. Wir haben es also mit einer Herde zu tun, die von niemandem kontrolliert wird beziehungsweise nicht kontrolliert werden kann. Ein neues Subgenre des Horrors war geboren: Der Zombie-Film.
Schnell folgten weitere Klassiker wie der spanische Kult-/Trashfilm Die Nacht der reitenden Leichen (1971) oder Romeros Fortsetzung Dawn of the Dead (1978). Es gab zig billig produzierte Nachahmungen, die vor allem auf Gewalt statt anspruchsvolle Story setzten. Zudem waren sie meist frauenfeindlich und ohne jeglichen Tiefgang. Ein gesellschaftlicher Kontext wurde lediglich von George A. Romero aufgegriffen – und ja, gesellschaftliche Fragen passen perfekt zu Zombies! Immerhin ist es enorm spannend, zu zeigen, wie Menschen auf eine ungeklärte Katastrophe dieser Art reagieren. Gleichermaßen übte George A. Romero Kritik an der Masse per se aus. Zombies waren quasi die schleichende Seuche einer kollektiven Fresssucht.
So oder so wurde der Zombie-Film in den 70er Jahren zur Massenware, Horror war allgemein sehr angesagt. Mit privatem Voodoo-Zauber hatten die Toten nichts mehr zu tun, stattdessen traten Ideen wie radioaktive Verseuchung oder allgemein menschliches Versagen in den Vordergrund. Manchmal wurde auch gar keine Erklärung dafür angeboten, warum die Leute plötzlich aus ihren Gräbern krabbeln. Entscheidend war nur: Zombies brauchen Menschenfleisch.
80er Jahre: Vom Low-Budget-Projekt zum Mainstream
Lange Zeit fristete der Zombie-Film sein Dasein im Low-Budget-Keller, aber Ende der 70er Jahre wurde endlich Geld investiert. Die Filmindustrie wollte das große Publikum erreichen. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist der Videoclip zu Michael Jacksons Song Thriller (1983). Das dreizehnminütige Video schluckte satte 500.000 US-Dollar – ein Novum für die damalige Zeit. Doch der kostspielige Aufwand lohnte sich: Man verkaufte nicht nur 109 Millionen Alben, sondern verhalf den Zombies zu einem coolen und modernen Image.
Natürlich gibt es auch Beispiele von Spielfilmen, die den Erfolg von Zombies untermauern. Re-Animator (1985) war eine vergleichsweise hochwertige Produktion und glänzte mit sehenswerten Effekten und einem guten Drehbuch. In George A. Romeros drittem Teil seiner Zombie-Reihe Day of the Dead (1985) hingegen wurde fünfmal mehr Geld investiert als in seinen ersten. Auch der humorvolle Zombie-Film The Return of the Living Dead (1985) schlug an den Kinokassen ein wie eine Bombe und erhielt im Laufe der Zeit insgesamt fünf Fortsetzungen.
Der Zombie-Film war im Mainstream angekommen. Neben den kostspieligen Produktionen kamen auch weiterhin etliche “billige” Projekte auf den internationalen Markt, Publikum gab es für beides. Und einen Videorekorder inzwischen auch …
90er Jahre: Viel Kritik und eine neue Form der Komödie
Kaum hatte sich der Zombie-Film als erfolgreiches Subgenre etabliert, musste er schon wieder um seine Existenz fürchten. Grund dafür waren besorgte Eltern, als die öffentlichen Debatten über gewaltverherrlichende Filme (und Videospiele) aufkochten. Einen fast schon bizarren Höhepunkt fand die Diskussion in der ZDF-Reportage Mama, Papa, Zombie. Darin wurde unter anderem von einer Mutter berichtet, die ihrer Tochter heimlich Zombie-Filme mit nach Hause brachte. Beamte vom Jugendamt trafen dort schließlich auf eine verwahrloste Dreijährige, die nichts anderes sagen konnte als “Mama, Papa, Zombie”.
Die harte Kritik hinterließ ihre Spuren. Wes Craven bemühte sich beispielsweise in seinem Film The Serpent and the Rainbow (1987), dem Zombie-Thema eine wissenschaftliche Seite abzugewinnen. Auffälliger war die Flut an Zombie-Komödien. Als sehr bekanntes Beispiel muss auch Peter Jacksons Werk Braindead (1992) genannt werden. Seine Mischung aus verstörend widerlichem Gore und persiflierender Comedy war revolutionär! Einen Sonderposten unter den Zombie-Filmen belegt auch die Literaturverfilmung Dellamorte Dellamore (1994), eine unterhaltsame Splatter-Romanze. Am Rande sei bemerkt, dass die meisten Zombie-Komödien aus Asien stammen.
Die Konsequenz dieser Entwicklung: Zombies waren nicht länger gruselig. Dümmliches Herumstolpern, das in einem Blutbad endet, war immer noch ein Thema, für das sich einige Fans begeistern konnten. Aber anstelle des Schreckens trat die bloße Unterhaltung.
21. Jahrhundert: Dabei sein ist alles
Wer hätte gedacht, dass im 21. Jahrhundert der Zombie-Film ein Revival im großen Stil feiern würde? Auffällig war in erster Linie der Fokus auf ein halbwegs realistisches Szenario. Mit religiösen Ritualen hatte die Entstehung von Zombies längst nichts mehr zu tun, stattdessen wurde die Virusinfektion zur Standarderklärung. Die Untoten waren zudem endlich wieder richtig unheimlich, was zum Teil daran lag, dass sie plötzlich rennen konnten. Prägnante Beispiele für die schnellen Zombies sind unter anderem Zack Snyders Remake Dawn of the Dead (2004) und Danny Boyles einflussreiches Werk 28 Days Later (2002). Letzteres kreierte außerdem eine neue Wesensart für Zombies. Sie waren keine menschenfressenden Untoten mehr, sondern Infizierte, die von einem “Wut-Virus” angetrieben wurden und nicht nur durch einen Kopfschuss sterben konnten. Umgesetzt wurden von da an beide Möglichkeiten.
In der Popkorn-Blockbuster-Schiene waren die Zombie-Filme spätestens seit der Resident Evil-Reihe angekommen. Nicht nur deshalb wird es immer schwieriger, sie als spezielles Genre zu betrachten. Denn das Thema “wandelnde Untote” findet inzwischen in den unterschiedlichsten Sparten und Darstellungen seinen Platz. Während der spanische Horrofilm REC (2007) insbesondere auf klassische Schockelemente setzt, thematisiert die schwarze Komödie Fido (2006) die Zivilisierung von Untoten auf ironische Weise. Shaun of the Dead (2004) belächelt die Ähnlichkeit zwischen den Lebenden und den Toten und die Komödie Zombieland (2009) liefert hilfreiche Tipps für eine mögliche Zombieapokalypse. In Land of the Dead (2005) formieren sich die Untoten zu einer Gruppe mit Anführer, in World War Z (2013) hingegen lässt sich ein Impfstoff für die Menschen finden, der sie für die Infizierten nahezu unsichtbar macht.
Es ist, als hätte man die Zombies im cineastischen Raum vollständig integriert, ganz ohne strenge Vorgaben. Sie können untot sein, infiziert, langsam oder schnell, hirntot oder mit Verstand ausgerüstet. Manchmal wollen sie Menschenfleisch fressen, manchmal “nur” töten. Nur eines ist sicher: Aus der Filmwelt lassen sie sich nicht mehr vertreiben.