Tim | 30 set 2019
Die Zukunft von Game of Thrones: die Vergangenheit?
Game of Thrones ist ein Popkultur-Phänomen, das seinesgleichen sucht. Gemeinhin gilt das HBO-Original als erfolgreichste Serie aller Zeiten. Auf jeden Fall ist es die Serie mit den meisten Auszeichnungen, mit 314 Awards bei 506 Nominierungen (und das ohne die achte Staffel). Vor allem aber hat Game of Thrones etwas geschafft, dass den wenigsten Serien und Filmen gelingt: Es begeistert Fans und Kritiker gleichermaßen! Es ist die Show, die alle schauen. Über die alle reden. Und das im Streaming-Zeitalter, wo es mehr gute Serien als Freizeit gibt und man sich zwangsläufig für seine Favoriten entscheiden muss.
Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Game of Thrones ist eine komplexe Serie mit vielschichtigen Charakteren, einer spannenden Geschichte und vor allem: unübertroffener Produktionsqualität. Aus technischer Sicht kann die Serie durchaus mit Kinoproduktionen mithalten, was in erster Linie an den freigegebenen Mitteln des Senders liegt. In der finalen achten Staffel etwa steht ein Budget von 15 Millionen Dollar zur Verfügung – pro Folge!
Es sind aber nicht nur die Optik und die Story, die Game of Thrones auf den Serienthron (hö hö) heben, sondern auch die Tatsache, dass es das richtige Genre zur richtigen Zeit bediente. Die HBO-Serie setzte den Fantasy-Trend fort, den Peter Jackson 2001 mit seiner Der Herr der Ringe-Trilogie losgetreten hatte, gefolgt von der Harry Potter-Oktalogie. Durch diese Welterfolge wurde Fantasy zum Mainstream-Genre im Kino, ein entsprechender Serienerfolg war da keine allzu große Überraschung.
Das nächste große Ding
Game of Thrones bringt mittlerweile selbst Nachfolger hervor. Amazon investierte sage und schreibe 250 Millionen Dollar für die Rechte an einer Der Herr der Ringe-Serie. Was nebenbei bemerkt exakt der 1.000-fache Betrag ist, den JRR Tolkien 1969 erhielt, als er die Film- und Merchandise-Rechte an United Artists verkaufte. Das ist aber längst nicht das finale Invest, denn über fünf Staffeln soll die Serie bis zu 1 Milliarde Dollar verschlingen! Dazu kommen weitere Fantasy-Serienadaptionen in Form von American Gods und Good Omens, beides extrem beliebte Bücher des nicht minder beliebten Autoren Neil Gaiman (wobei er Good Omens zusammen mit Terry Pratchett geschrieben hat).
Tja, und da bei Game of Thrones mit der achten Staffel Schluss ist, ist HBO unter Zugzwang. Der Pay-TV-Sender steht und fällt mit seinen exklusiven Inhalten, darunter Klassiker wie Die Sopranos, The Wire, Westworld oder auch True Detective. Ohne solche Meilensteine funktioniert das Konzept des Senders nicht, insbesondere mit der wachsenden Konkurrenz durch Netflix, Amazon und Co. Das nächste große Ding nach Game of Thrones ist also Pflicht! Woher aber nehmen, wenn nicht stehlen?
Die Macher haben sich für die naheliegende Lösung entschieden: In Westeros bleiben. Prequels im Game of Thrones-Universum lautet die Devise! Mit Betonung auf dem Plural, denn Medienberichte und Aussagen von Autor George RR Martin stellen gleich fünf Spin-off-Serien in Aussicht. Ob die wirklich alle das Licht der Welt erblicken, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Klar ist aber: Man arbeitet an mehreren Projekten. Und eine Serie hat bereits grünes Licht erhalten, ihr Arbeitstitel: The Long Night.
Was wir über The Long Night wissen
The Long Night spielt 5.000 Jahre vor den Ereignissen von Game of Thrones und nimmt nicht nur zeitlich großen Abstand zum Vorbild. George Martin: “Westeros ist ein anderer Ort […] Es gibt kein King’s Landing. Es gibt keinen Eisernen Thron. Es gibt keine Targaryens – Valyria hat kaum begonnen, sich mit Drachen ein Reich aufzubauen.” Laut der offiziellen Inhaltsangabe erzählt die Serie den Abstieg der Welt vom Goldenen Zeitalter der Helden zu ihrer dunkelsten Stunde. Ein bisschen Bezug zur bekannten Geschichte nimmt man dann aber doch und will beispielsweise den wahren Ursprung der Weißen Wanderer enthüllen.
Dass es HBO mit dem Prequel ernst ist, zeigen die ersten Infos. Als Hauptdarsteller verpflichtete man Naomi Watts und Josh Whitehouse, zu den Nebendarstellern zählen Naomie Ackie, Jamie Campbell Bower, Denise Gough, Sheila Atim, Ivanno Jeremiah, Georgie Henley, Alex Sharp und Toby Regbo. Auch hinter den Kulissen sitzen keine Anfänger: Showrunner und ausführende Produzentin ist Jane Goldman, die bereits an der Kingsman-Reihe, X-Men: First Class und Kick-Ass gearbeitet hat. Die Pilotfolge wird indes von SJ Clarkson inszeniert, die unter anderem bei The Defenders, Jessica Jones und Dexter Regie geführt hat.
Für sein Vorhaben nimmt der Sender ordentlich Geld in die Hand. Francesca Orsi, ihres Zeichens Vice President of Drama Series bei HBO, sagte 2018 im Interview mit The Hollywood Reporter: “50 Millionen für eine Staffel würden nie reichen für das, was wir vorhaben.” Wie umfangreich das Budget genau ausfällt, wissen wir aktuell nicht, aber für eine grobe Vorstellung genügt etwas mehr Kontext: Die erste Staffel Game of Thrones hat 60 Millionen Dollar gekostet.
Mit The Long Night setzt HBO also auf ein bekanntes Pferd, tauscht aber, um bei der Metapher zu bleiben, Reiter und Rennstrecke aus. Wir bleiben in Westeros, auch wenn die Welt kaum wiederzuerkennen ist. Auch der Ton der Serie wird anders ausfallen, da Showrunnerin Goldman für explizite Gewaltdarstellung mit einem Augenzwinkern steht. Gegenüber Digital Spy sagte sie im August 2017, dass sie diesem Stil in ihrem Game of Thrones-Projekt treu bleiben wolle.
Die Dreharbeiten beginnen im Sommer dieses Jahres, wir rechnen frühestens im Frühjahr 2020 mit der ersten Folge.
Weitere Game of Thrones-Projekte
Über weitere Game of Thrones-Spin-offs ist inhaltlich nichts bekannt, abgesehen von viel Wunschdenken und unbestätigten Gerüchten. Dennoch kursieren einige bekannte Namen im Internet. Max Borenstein etwa, einer der Drehbuchautoren von Kong: Skull Island, soll für HBO an einer Prequel-Idee arbeiten. Gleiches gilt für Autor Brian Helgeland, der für sein Drehbuch zu L.A. Confidential mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Dazu sei aber gesagt, dass Helgeland nach eigener Aussage kein Fan von Serien ist und eher auf große Filmprojekte steht.
Die zwei verbliebenen Prequel-Projekte, sollten wirklich fünf Spin-offs kommen, werden gemeinsam mit George Martin entwickelt. Genauer soll der Autor und Game of Thrones-Erfinder zusammen mit Carly Wray (Mad Men) und Bryan Cogman (Game of Thrones) an weiteren Ideen werkeln.
Schnappt die Prequel-Falle zu?
Bleibt die Frage, ob eine bis fünf Prequel-Serien zu Game of Thrones überhaupt der richtige Ansatz sind. Die Antwort darauf lautet wenig hilfreich: Kommt drauf an. Nämlich auf die Umsetzung, die Qualität und vor allem: ob die Fan-Erwartungen erfüllt werden.
Ein kurzer Rückblick: Als George Lucas in den 1990er Jahren ankündigte, zu Star Wars zurückzukehren, waren Fans der weit, weit entfernten Galaxis ekstatisch! Nach all den Jahren würde es endlich neue Geschichten geben. Die zudem genau erzählen, wie es zu den Ereignissen im ersten Star Wars-Film kam. Doch die neue Hoffnung (der musste sein) verschwand quasi mit Verlassen des Kinosaals, als Die dunkle Bedrohung 1999 Premiere feierte. Bis heute werden die Star Wars-Prequels heftig kritisiert. Für ihren übermäßigen Einsatz von Spezialeffekten. Für die hölzern agierenden Schauspieler. Und natürlich das inhärente Problem jedes Prequels: Dass eine Geschichte erzählt wird, deren Ende bekannt ist. Es fühlte sich an, als wollte George Lucas nur die bestehende Story erklären, ausführen, rechtfertigen, statt etwas Eigenes zu erzählen.
Der Autor Andrew Liptak brachte es bei The Verge so auf den Punkt: “Prequels und Reboots riskieren, zu viel zu erklären. Zu erfahren, wie Anakin sich der dunklen Seite der Macht anschloss oder Bilbo den Einen Ring bekam, sind überzeugende Ideen für einen Film. Aber manchmal ist es gerade unser Unwissen, das die Charaktere so spannend macht […] In Eine neue Hoffnung hat die Macht etwas Mystisches, das man nicht erklären kann. Die dunkle Bedrohung raubt der Macht ihren Zauber, indem sie sie auf mikroskopisch kleine Lebewesen reduziert, die sich im Blut befinden.”
Auch die Filmreihe Phantastische Tierwesen kämpft mit ähnlichen Problemen, die bei einigen Fans für Frust sorgen. Nicht nur, dass wir das Ende der Geschichte bereits kennen und Fragen beantwortet werden, die wir nie gestellt haben. Es werden auch Ereignisse aus den Harry Potter-Büchern nachträglich geändert, was einigen Fans sauer aufstößt.
Das heißt aber nicht, dass die Game of Thrones-Prequels dem Untergang geweiht sind. Bleiben wir kurz bei Star Wars: Eine der bekanntesten und beliebtesten Geschichten unter Fans ist Knights of the Old Republic. Das Bioware-Spiel von 2003 spielt 4.000 Jahre vor den Ereignissen der Filme, konzentrierte sich logischerweise auf neue Charaktere und erzählte eine epische wie wendungsreiche Story. (Nebenbei war es auch einfach ein gutes Spiel.) Gut möglich also, dass HBO mit seinem Prequel The Long Night in eine ähnliche Kerbe schlägt, schließlich ist die Geschichte ebenfalls tausende Jahre vor der Hauptserie angesiedelt.
Ist Game of Thrones das nächste “große Ding”™?
Mal angenommen, HBOs Prequel-Serie wird ganz toll. Und ganz anders als Game of Thrones. Und wird von Fans und Kritikern geliebt. Und bringt HBO ganz viel Geld. Angenommen all das trifft zu, dann würden wir fast zwangsläufig weitere Prequels bekommen. Und eine Rückkehr der Diskussion um Ermüdungserscheinungen, wie wir sie von Superhelden-Filmen kennen. Ich sage gar nicht, dass das schlecht ist. Im Gegenteil, ich finde mehr Inhalte aus meinen Lieblingsuniversen toll, solange sie gut sind.
Trotzdem frage ich mich, ob wir so das nächste große Popkultur-Thema entdecken. Das nächste Game of Thrones, das nächste Star Wars, das nächste MCU findet man nicht, indem man mehr Inhalte zu genau diesen Marken umsetzt. Oder anders ausgedrückt: Das nächste Game of Thrones heißt sicher nicht Game of Thrones. Deswegen wünsche ich mir, das viele Geld nicht nur in bekannte Leuchttürme zu stecken, sondern weiter an komplett neuen Inhalten zu arbeiten. An den Stranger Things, den Mindhunters, den Mrs Maisels, den Sneaky Petes, den Six Feet Unders, den Losts, den Twin Peaks dieser Welt. Und wie sie alle heißen. Trotzdem drücke ich Game of Thrones die Daumen.
Wie ist eure Meinung zum Thema? Was erwartet ihr von The Long Night? Wollt ihr mehr über die Welt von Game of Thrones erfahren? Und was sind eure Lieblingsserien generell? Schreibt’s in die Kommentare!