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Tim | 17 mag 2016

World of Warcraft: Spiel, Kulturgut, Kinofilm

World of Warcraft ist ein Phänomen! Obwohl es mehr als elf Jahre auf dem Buckel hat – eine Ewigkeit in der Spieleindustrie –, ist es immer noch das erfolgreichste Online-Rollenspiel aller Zeiten. Es ist auch eines der wenigen Spiele, das die Grenzen der eigenen Branche durchbrechen konnte und zum festen Bestandteil der Popkultur wurde. Dieses Jahr feiert Blizzards Meisterwerk seinen zwölften Geburtstag und hat einiges vor: Fans freuen sich auf das mittlerweile sechste Addon Legion und am 26. Mai gibt es mit Warcraft: The Beginning das langerwartete Kinodebüt! Grund genug für uns, die Nostalgie-Keule herauszuholen und ausführlich über WoW zu sprechen. Im Folgenden blicken wir zurück auf die Warcraft-Geschichte, analysieren die Erfolgsgründe des MMOs, besprechen dessen kulturellen Status und fragen, warum der Film gerade jetzt erscheint.

Warcraft: The Beginning

Wer bei der Überschrift an die bevorstehende Kino-Veröffentlichung denkt, der irrt. Wir beginnen unseren Report klassisch mit einer Geschichtsstunde. Wir können aber nicht über World of Warcraft sprechen, ohne zunächst auf das Strategiespiel von 1994 einzugehen. Wobei, der beste Einstiegspunkt ist eigentlich die Geschichte von Chris Metzen, Blizzards heutigem Senior Vice President of Story and Franchise. Niemand prägte Blizzards fiktive Spielwelten so sehr wie er, sei es bei Diablo, Starcraft oder eben Warcraft. Dabei wusste der Gute nach eigener Aussage zunächst gar nicht, was Blizzard (damals unter dem Namen Chaos Studios bekannt) überhaupt machte, als er sich der Firma 1993 anschloss. In seiner Anfangszeit waren die Arbeiten an Warcraft: Orcs and Humans bereits in vollem Gange, Metzen steuerte “nur” ein paar Artworks bei. Doch er war begeistert von der Arbeit seiner Kollegen und der Welt Azeroth. Mit seinen Orcs und seiner Magie erinnerte ihn das Universum auf angenehme Weise an Dungeons & Dragons. Oder kurz: Warcraft war genau sein Ding!

Wirklich einbringen durfte sich Metzen aber erst bei Warcraft II: Tides of Darkness. Er designte Szenarien und Missionen, war aber auch hauptverantwortlich für das fiktive Universum. Als das Spiel 1995 auf den Markt kam, wurde es von Kritikern wegen seiner durchdachten Spielmechanik und Features wie dem Kriegsnebel (Fog of War) gelobt. Die wenigsten Redakteure stellten den Fokus auf das Storytelling in den Vordergrund, dabei war gerade dieser Punkt der Grundstein für die Zukunft von Warcraft. Metzen: “Ich habe immer gesagt, dass unser Spiel vor allem Spaß machen muss, damit die Leute weiterspielen. Aber nur wenn wir zusätzlich eine tiefe Welt erschaffen und den Spielern Gründe für ihr Handeln geben, konnten wir sie auf einer emotionalen Ebene abholen. Für ein starkes Franchise braucht man beides!” Diesen Ansatz merkt man der nächsten Iteration an. Warcraft III: Reign of Chaos setzte merklich mehr auf starke Charaktere mit spannenden Geschichten (Arthas, Illidan), ohne das Gameplay außer Acht zu lassen. Und so ist es kein Zufall, dass Warcraft III im Juli 2002 zum am schnellsten verkauften PC-Spiel seiner Zeit avancierte! Alleine im ersten Monat brachte Blizzard weltweit 4,5 Millionen Einheiten an den Mann. Und das war erst der Anfang …

Die Welt Azeroth war das Fundament, das Setting für World of Warcraft. Das Genre allerdings legte ein Konkurrenzprodukt fest: “EverQuest war das Ding bei uns, ein weltbewegendes Produkt! Irgendjemand fragte dann, warum wir das nicht in der Welt von Warcraft machen”, erinnert sich Metzen, der sofort Feuer und Flamme war. “Wir waren jung, dumm und hatten keine Ahnung, wie anspruchsvoll so ein Projekt ist. Aber: Das war genau das Spiel, das wir selbst zocken wollten. Wir mussten es einfach entwickeln.” Und so begann 1999 die Arbeit an World of Warcraft – im Erscheinungsjahr von EverQuest und Mitten in der Produktion von Warcraft III. Ergo hatte das Hauptentwicklungsteam gar keine Zeit für ein so großes Projekt, daher wurde WoW einem anderen Team übergeben, das zuvor an einem postapokalyptischen Actionspiel mit dem Arbeitstitel Nomad werkelte. Gemeinsam zog man aus, um das Genre der Online-Rollenspiele zu revolutionieren.

Perfektes Timing

Dass Blizzard das MMO-Genre definieren konnte, ist vor allem historisch bedingt. Verzeiht uns also, wenn wir noch ein wenig im Geschichtsbuch blättern und die Entwicklung des Genres nachzeichnen. Alles begann mit den Multi-User-Dungeons aus den 1980er Jahren, textbasierte Vorläufer der heutigen Online-Rollenspiele. In den frühen 90er Jahren folgte dann ein vorsichtiger Versuch seitens AOL, das Genre mit Neverwinter Nights (nicht zu verwechseln mit dem Bioware-Rollenspiel) auf die nächste Stufe zu hieven – mit durchwachsenem Erfolg. Wirklich los ging es erst 1997 mit Ultima Online von Origin, das man noch heute spielen kann! Der Titel machte im Laufe seiner Zeit mehrere Publisher-Wechsel mit, seinen Höhepunkt erreichte Ultima Online aber 2003 unter Electronic Arts, als man ansehnliche 250.000 zahlende Abonnenten verzeichnete.

Bis hierhin titulieren wir das Ganze vorsichtig als erste Generation der Online-Rollenspiele. Die zweite Generation wurde von Lineage (1998) und natürlich EverQuest (1999) eingeläutet, die etliche Elemente moderner MMOs etablierten, beispielsweise echte 3D-Grafik und die Sache mit der persistenten Spielwelt. Gemeint ist, dass die virtuelle Welt weiter existiert und sich verändert, nachdem man sich ausgeloggt hat. Weitere wichtige Features waren der Handel mit anderen Spielern, komplexe Crafting-Systeme, Player-vs-Player-Kämpfe und einiges mehr. Der Fairness halber muss aber erwähnt werden, dass die Bedienung von EverQuest und Lineage schon damals ziemlich hakelig war. Erfolge feierte man trotzdem, EverQuest etwa kam in seiner besten Zeit auf 450.000 zahlende Abonnenten. Zum großen Durchbruch reichte es allerdings nicht, daran änderten auch die vielen Konkurrenten wie Star Wars Galaxies, Planetside, Asheron’s Call oder Dark Age of Camelot nichts.

Tja, und dann kam 2004 World of Warcraft um die Ecke und stellte alles auf den Kopf! Keiner der genannten Titel konnte es auch nur im Ansatz mit dem neuen Platzhirsch aufnehmen – obwohl Blizzard seinen Erfolg in erster Linie seinen Vorläufern verdankte. Denn wie so oft erfand Blizzard das Rad nicht neu und perfektionierte eher bereits bekannte Spielmechaniken, mehr dazu im nächsten Absatz. Der zweite große Faktor für den Durchbruch war externer Natur: WoW kam schlicht zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt. Videospiele wurden immer wichtiger und kulturell präsenter, die Branche professioneller. Zudem verfügte längst jeder Haushalt über eine Internetanbindung, was das Thema auch für die damaligen Konsolen (lies: den Massenmarkt) interessant machte. Randnotiz: Nur zwei Wochen nach World of Warcraft erschien Halo 2 und überzeugte insbesondere mit seinem Online-Mehrspieler-Part. Oder anders ausgedrückt: Die Menschen waren reif für ein Spiel wie WoW! Was nicht heißen soll, dass Blizzard ausschließlich wegen dem richtigen Timing Erfolg hatte.

“Größte Design-Leistung der Geschichte”

World of Warcraft war nie der Pionier, der große Innovator oder Wegbereiter. Und dennoch ist es, wie es der bekannte Spieldesigner Raph Koster ausdrückte, “die größte Spiel-Design-Leistung der Geschichte aller virtuellen Welten”. Das Gameplay war von Beginn an nahe an der Perfektion, vereinte die besten Elemente aller bisherigen Online-Rollenspiele und war verflixt einsteigerfreundlich. Dabei war World of Warcraft zum Start bei weitem nicht so umfangreich wie seine Konkurrenten, Features wie eigene Häuser, Haustiere oder Politik fehlten völlig. Genau dieser Verzicht verhalf dem blizzardschen Titel erst zu seiner Vormachtstellung! Die Entwickler wählten genau die richtigen Elemente aus, umgingen unnötige Komplexität und brachen die Spielerfahrung herunter auf den größtmöglichen Spielspaß. Jeder, der halbwegs im Umgang mit Maus und Tastatur geübt war, konnte auch Abenteuer in Azeroth erleben. Verzicht ist auch in anderer Hinsicht ein gutes Stichwort: Die Entscheidung, nicht auf tolle High-End-Grafik zu setzen, entpuppte sich als goldrichtig. Mit dem comichaften Look blieb man nicht nur dem etablierten Warcraft-Stil treu sondern sorgte auch dafür, dass man sich nicht zwangsläufig einen potenten Spiele-PC beschaffen musste. Zugegeben, im PC-verliebten Deutschland spielte das keine große Rolle, im Massenmarkt USA aber schon.

Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zu anderen Online-Rollenspielen war der grundlegende Spielansatz. Stellten die bisherigen MMOs das Jagen und Sammeln in den Fokus, gelegentlich unterbrochen von kürzeren Quests, drehte WoW das Ganze um. An erster Stelle standen von Beginn an die Aufgaben von NPCs, das Jagen und Sammeln trat mehr in den Hintergrund. Dieser Ansatz brachte zwei elementare Vorteile mit sich: Zum einen nahm man so neue Spieler an der Hand und gab ihnen einen roten Faden durch die Spielwelt. Das merkt man gerade in den perfekt designten Startgebieten, die bei jeder Rasse und Klasse die grundlegenden Mechaniken erklären und die ersten Levelaufstiege mit sich bringen. Zum anderen förderte der Quest-basierte Ansatz die Zusammenarbeit der Spieler, da man sich für etliche Aufgaben zwangsläufig in Gruppen formieren musste. Oder habt ihr schon mal einen Raid alleine gemeistert?

Mit all diesen Entscheidungen ließ World of Warcraft der Konkurrenz keine Chance, es gab aber noch weitere zuträgliche Faktoren. Da wäre beispielsweise die Marke Blizzard. Die Firma hat in der Branche einen erstaunlich guten Ruf und ist dafür bekannt, Spiele erst zu veröffentlichen, wenn sie wirklich fertig sind. Falls ein Titel doch mal negativ angenommen wird, passen die Jungs und Mädels das Spiel schnellstmöglich den Wünschen der Spieler an (siehe Diablo 3). Darüber hinaus ist die Warcraft-Community ein eng zusammengeschweißter Haufen, etliche Gamer sind auch in der echten Welt befreundet. Und die Community ist auch über das Spiel hinaus ungemein engagiert, schreibt ergänzende Geschichten, kreiert beeindruckende Artworks und was nicht alles. Blizzard weiß das zu schätzen und fördert den Zusammenhalt, etwa mit der hauseigenen Messe BlizzCon. Da überrascht es nicht, dass World of Warcraft zu seiner besten Zeit auf unfassbare 12 Millionen Abonnenten kam!

Von Vanilla-WoW bis Warlords of Draenor

MMO-Gesetz: Wer von seinen Spielern einen monatlichen Obolus verlangt, muss im Gegenzug immer neue Inhalte nachschieben. Kaum ein Studio setzt diesen Grundsatz so gekonnt um wie Blizzard! Dementsprechend ist World of Warcraft heute kaum noch mit der Release-Version 1.1 zu vergleichen, zu sehr hat sich das Spiel im Laufe der Zeit verändert. Dabei verstand es Blizzard immer, auch die Hardcore-Fans bei der Stange zu halten, etwa mit der Jagd nach seltenen Ausrüstungsgegenständen oder speziellen Questreihen. Wir lassen die Entwicklung von damals bis heute Revue passieren und bleiben zunächst beim Hauptprogramm: Am 23. November 2004 (am zehnten Warcraft-Jahrestag) startete World of Warcraft mit zwei riesigen Kontinenten, 17 Dungeons und zwei Raids. Vor dem Betreten der Welt mussten sich Spieler für eine von zwei Seiten entscheiden, der Horde und der Allianz. Ein einfaches wie probates Mittel, den Abenteurern direkt einen Gegner zu liefern. Bei der Charaktererstellung standen acht Rassen (Mensch, Nachtelf, Gnom, Zwerg, Orc, Tauren, Troll, Untote) und neun Klassen (Druide, Hexenmeister, Jäger, Krieger, Magier, Paladin, Priester, Schamane, Schurke) zur Wahl. Da es zum Start noch nicht so viele Endgame-Inhalte gab, musste man sich ganz schön ins Zeug legen, um die nötigen Erfahrungspunkte für das Maximallevel 60 zusammenzukratzen.

Die Ausgangssituation war bereits recht umfangreich, dennoch blieb es nicht lange dabei. Blizzard stellte in kurzen Abständen unzählige Updates bereit und fügte Azeroth neue Instanzen, ein Ehrensystem, Schlachtfelder und Weltbosse hinzu. Den ersten großen Sprung vollzog man 2007 mit der kostenpflichtigen Erweiterung The Burning Crusade – für viele Spieler bis heute das beste WoW-Addon! Durch das Dunkle Portal ging es in die mysteriöse Scherbenwelt mit sieben neuen Gebieten, das eigentliche Highlight aber waren die praktischen Flugtiere … auch wenn man diese nicht in der alten Welt nutzen durfte. Dazu kamen zwei neue Rassen (Blutelfen und Draenei), ein neuer Beruf (Juwelenschleifer) und das Max-Level von 70. Weiter ging es ein Jahr später mit Wrath of the Lich King, das nach Illidan Sturmgrimm den nächsten bekannten Warcraft-Helden ins Rampenlicht stellte: Arthas Menethil. Dieser hielt sich in Nordend auf, dem nächsten Kontinent Azeroths. Neue Rassen gab es nicht, dafür aber eine weitere Heldenklasse (Todesritter) und einen neuen Beruf (Inschriftenkunde). Die vielleicht wichtigste Neuerung waren die Achievements, auch wenn sie spielerisch keinen Nutzen haben. Aber was sollen wir sagen, das Freischalten von Erfolgen macht einfach verdammt viel Laune! Auch wenn das zeitweise in furchtbare Fleißarbeit ausartet …

Das 2010er-Addon Cataclysm brachte erstmals keine neuen Gebiete mit sich sondern überarbeitete die alte Spielwelt. Dieser Kniff machte es auch für alte Hasen spannend, mal wieder einen neuen Charakter anzulegen, da man nicht länger durch die altbekannten Gegenden mit den immergleichen Quests rennen musste. Mit Worgen und Goblins gab’s zwei neue Rassen, veränderte Talentbäume, ein Level-Cap von 85 und die Möglichkeit, Flugtiere in der alten Welt zu nutzen. Es war die erfolgreichste Phase von World of Warcraft, die Abonnentenzahl stieg auf 12 Millionen! Ein Meilenstein, den man nicht halten, geschweige denn überflügeln konnte. Tatsächlich ging es mit dem nächsten Addon Mists of Pandaria bergab. Der Asia-Stil mit seinen niedlichen Pandaren traf nicht bei allen Fans auf Zustimmung, daran änderten auch die witzigen Haustier-Kämpfe und ein Level-Cap von 90 nichts. Hardcore-Fans störten sich vor allem daran, dass die Instanzen zu kurz und keine echte Herausforderung waren. Blizzard nahm sich die Kritik zu Herzen und machte es 2014 mit Warlords of Draenor besser. Obwohl es keine neuen Rassen oder Klassen gab, stieg die Zahl der Abonnenten wieder auf 10 Millionen. Zumindest kurzfristig, mehr dazu später.

Make Love, not Warcraft

Dass World of Warcraft über die Jahre immer umfangreicher wurde, ist ein weiterer Grund dafür, dass kein Konkurrent den Blizzard-Titel vom Thron stoßen konnte. Wie soll ein Neuling auch mit der Masse an Inhalten konkurrieren, die sich in zwölf Jahren angesammelt haben? Ohne einen Erben in Sicht blieb World of Warcraft über all die Jahre das Go-to-MMO. Tatsächlich wurde es sogar zum Inbegriff des gesamten Genres. Daher ist es gar nicht so überraschend, dass WoW im nächsten Schritt zum festen Bestandteil der modernen Popkultur wurde. Etliche Filme und Serien erwähnten das Spiel in irgendeiner Form, sei es How I Met Your Mother, The Big Bang Theory oder in der genialen South Park-Folge “Make Love, not Warcraft.” Die legendäre Werbekampagne, in der Stars wie William Shatner, Mr. T oder Ozzy Osbourne das MMO spielten (inklusive passendem Avatar), hat ihren Teil zur Markenverbreitung beigetragen.

Den vielleicht größten Anteil an der Marktdurchdringung hatten aber die klassischen Medien. Jede Publikation, die etwas auf sich hielt, berichtete zwischen 2004 und 2010 in irgendeiner Form über World of Warcraft, auch wenn man sonst nichts mit Videospielen am Hut hatte. Die New York Times etwa brachte schon im Februar 2005 einen sehr positiven Artikel darüber, wie das Spiel die Massen begeisterte. Wir stellen zudem die Behauptung auf, dass jeder irgendwo schon mal gelesen hat, dass WoW Menschen zusammenbringt, Freundschaften und sogar Ehen entstehen ließ. Da es aber langweilig wird, nur die positiven Seiten zu beleuchten, kippte die Berichterstattung irgendwann. Genauer im August 2005, als ein Südkoreaner nach einer 50-stündigen Spielsession starb. Seitdem wurde vermehrt über das Suchtpotential von Spielen wie World of Warcraft geschrieben – dass der fragliche Spieler gar nicht in Azeroth unterwegs war, spielte keine Rolle. Abseits solcher Extremfälle las man immer häufiger, dass Blizzard Beziehungen zerstöre, weil sich der Partner (oder die Partnerin) nicht von dem Spiel losreißen konnte. Im Interview mit Entertainment Weekly sagte Chris Metzen dazu: “Das traf uns völlig überraschend. Wir hatten eines dieser Produkte, das aus seiner Nische ausbrach und im Rampenlicht stand. Da musste man mit so etwas rechnen.” Metzen machte zwar deutlich, dass man in der Verantwortung stehe und Dinge wie das Suchtpotential beachten müsse. Gleichzeitig verglich er die Anschuldigungen aber mit früheren Diskussionen, als dem Pen-and-Paper-Rollenspiel Dungeons & Dragons Satanismus vorgeworfen wurde.

Beim Thema Berichterstattung müssen wir auch die vermutlich berühmteste WoW-Geschichte erwähnen: Die Seuche von Zul’Gurub. 2005 verteilte Blizzard einen neuen Raid im Schlingendornental und dachte sich für den Bosskampf gegen Hakkar etwas Besonderes aus: Dieser konnte Spieler mit dem Fluch “Verderbtes Blut” belegen, der dem eigenen Charakter großen Schaden über Zeit zufügt. Mehr noch, der Fluch war ansteckend und sprang auf Spieler über, die sich in der Nähe aufhielten! Eigentlich keine große Sache, Blizzard ging nie davon aus, dass man den Fluch aus dem Dungeon in die Oberwelt schleppen würde. Doch natürlich geschah genau das! Die Seuche verbreitete sich rasend schnell, die Straßen waren gepflastert von Leichen. Mit virtuellen Quarantäne-Zonen versuchte Blizzard, das Unheil einzudämmen. Doch wegen niederträchtiger Spieler, die andere Charaktere absichtlich infizierten, gab es kein Ankommen gegen die Krankheit. Blizzard musste die Server resetten – ein No-Go für eine persistente Welt, die von den Spielern verändert werden kann. Die Seuche von Zul’Gurub wurde von etlichen Mainstream-Medien verbreitet, Epidemiologen nutzen sie sogar als Beispiel dafür, wie sich Krankheiten in der echten Welt verbreiten.

Der langsame Tod

Wir sagten es bereits: World of Warcraft ist nicht zu schlagen. Das heißt aber nicht, dass Azeroth für die Ewigkeit gemacht ist. In den vergangenen vier Jahren ging die Zahl der Abonnenten stetig zurück, auf der BlizzCon 2015 vermeldete Blizzard nur noch 5,5 Millionen Spieler. Im gleichen Atemzug wurde verkündet, dass man künftig keine genauen Zahlen mehr nennen werde – ein eindeutiges Zeichen. Wohlgemerkt: 5,5 Millionen Abonnenten sind wirklich keine Kleinigkeit, die Konkurrenz mit monatlichen Gebühren würde sich kirre freuen! Dennoch ist es kein Vergleich mit den 12 Millionen aus dem Jahr 2010. So schnell wird es mit WoW aber nicht vorbei sein. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Zahl der Abonnenten in die Höhe schnellt, sobald ein neues Addon erscheint. Und Legion steht ja bereits in den Startlöchern.

Dass man das Niveau von 2010 nicht ewig halten konnte, ist derweil keine Überraschung. Der Spielemarkt hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert, wurde größer und vielfältiger. Daher findet sich die Gaming-Community nicht unbedingt bei einem einzigen Produkt ein sondern verteilt sich über viele Spiele und Plattformen. Bei Multiplayer-Titeln sind Millionen von Menschen in Free2Play-Spielen wie League of Legends oder Blizzards eigenem Heroes of the Storm unterwegs. Andere verbringen Jahre ihres Lebens in den unendlichen Welten von Minecraft, wieder andere ballern sich Monate oder gar Jahre durch Destiny. Und das sind nur einige wenige Beispiele, Nachschub gibt es fast täglich. Erst kürzlich feierte Ubisoft einen riesigen Erfolg mit The Division und am Horizont wartet mit No Man’s Sky ein ganzes Universum auf Spieler mit viel Freizeit. Abgesehen von einzelnen Titeln gibt es noch Bereiche wie den professionellen E-Sport, Let’s Plays oder Plattformen wie Twitch. Wen wundert es da, dass weniger Menschen in Azeroth unterwegs sind? Allerdings besteht dieses Jahr durchaus die Möglichkeit, dass einige neue Spieler erstmals die Welt von World of Warcraft entdecken – sofern der Kinofilm gut ankommt.

Besser spät als nie: Der Warcraft-Kinofilm

Eigentlich komisch, dass der Warcraft-Film erst jetzt in die Kinos kommt, wo das Spiel seine beste Zeit hinter sich hat. Regisseur Duncan Jones (Moon) macht sich darüber keine Sorgen, wie Chris Metzen setzt er auf eine glaubwürdige Welt mit interessanten Charakteren. “Die Protagonisten auf beiden Seiten sind nobel und einfühlsam, jeder verhält sich nachvollziehbar. Menschen und Orcs haben eigene Kulturen und Charaktere, die man liebt oder hasst.” Statt einer klassischen Gut-gegen-Böse-Geschichte will er beide Seiten eines Konflikts zeigen und eine spannende Geschichte erzählen. Das sei zeitlos und funktioniere auch, wenn gerade nicht mindestens zehn Millionen Menschen WoW spielen. Zumal Jones nicht nur Hardcore-Fans ansprechen will sondern auch Leute, die sich mit World of Warcraft gar nicht auskennen.

Falls ihr euch immer noch fragt, warum der Film gerade jetzt kommt: Ursprünglich sollte Warcraft viel früher erscheinen, die erste Ankündigung stammt aus dem Jahr 2006, als Blizzard eine Partnerschaft mit Legendary Pictures bekannt gab. Wenn man die Meldungen der letzten Jahre in der Rückschau betrachtet, merkt man schnell, dass sich das Projekt im Laufe der Zeit grundlegend veränderte. Zur BlizzCon 2007 hieß es, man würde die Epoche des ersten Spiels Warcraft: Orcs and Humans behandeln. Und von wegen “beide Seiten eines Konflikts zeigen”: Laut Metzen würde man die Story aus Sicht der Menschen erzählen, die Orcs hätten mal wieder das Böse verkörpert. Ein Jahr später befand sich das Drehbuch laut Mike Morhaime auf einem guten Weg und Metzen beschrieb den Film mit den Adjektiven actionreich und gewalthaltig: “Wir wollen kein G- oder PG-Rating, es ist schließlich nicht KissenschlachtCraft.” Dann hieß es plötzlich, die Geschichte sei zu nah an Der Herr der Ringe, es wurde einiges über Bord geworfen. Zwischenzeitlich mischte sich gar der bei Spielern berüchtigte Uwe Boll ein und bot sich als Regisseur an. Angeblich lehnte Blizzard das Angebot mit den Worten ab: “Wir verkaufen die Filmrechte nicht. Erst recht nicht an dich.” (Belegen lässt sich das leider nicht.) Stattdessen nahm 2009 Sam Raimi (Spider-Man) auf dem Regiestuhl Platz, die Veröffentlichung wurde auf 2011 verschoben. Danach wurde es still um Warcraft, bis Raimi im Juli 2012 vermeldete, nicht länger involviert zu sein. 2013 wendete sich alles zum Besseren: Legendary präsentierte Duncan Jones als neuen Regisseur und seitdem lief scheinbar alles glatt.

Zur Story: Zeitlich spielt Warcraft: The Beginning lange vor den Ereignissen in World of Warcraft. Letzteres setzt ungefähr vier Jahre nach Warcraft III: The Frozen Throne an, der Film hingegen stellt das erste Treffen von Menschen und Orcs in den Fokus. Die Hauptfiguren sind Anduin Lothar für die Allianz und Durotan für die Orcs. Worum geht’s eigentlich? Draenor, die Welt der Orcs, ist dem Untergang geweiht. Auf ihrer Flucht gelangt das Volk durch ein Portal nach Azeroth, wo man eine neue Heimat aufbauen will – zum Unmut der Menschen. Es kommt zum Krieg, als plötzlich eine Bedrohung auftaucht, die beide Völker an den Rand der Vernichtung bringt … ominös. Ob der Film der Marke Warcraft gerecht wird, finden wir am 26. Mai 2016 heraus, dann startet Warcraft: The Beginning in den deutschen Kinos. Wenn alles läuft, wie es sich die Macher versprechen, treibt die Verfilmung neue und alte Spieler zurück auf die WoW-Server – und zurück ins Kino! Denn im Falle eines Erfolgs bekommen wir eine ganze Trilogie! Sollte der Film hingegen floppen, dürfte das dem Spiel kaum schaden. Den Status als bestes Online-Rollenspiel wird World of Warcraft so schnell nicht verlieren.

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